Es ist ja allseits bekannt, dass Klaus lieber Urlaub macht, als dass er arbeitet. Nach seinem Geburtstag musste er sich aber erst mal erholen und fuhr ein paar Tage weg. Auf dem Rückweg überraschten ihn alte katholische Feiertagsrudimente. Obwohl Mittwoch war, waren die Züge brechend voll. „Für einen Kloß muss doch trotzdem noch Platz sein“, dachte sich Klaus und quetsche sich in die erste Klasse. Auch hier war es voll. Doch plötzlich fand er noch freie Plätze in einem Abteil. Warum wollte dort niemand sitzen?
Klaus öffnete die Tür und war sichtlich überrascht. Er meinte einen alten Bekannten zu sehen und begrüßte ihn herzlich.
Klaus: Mensch Claus, Dich hier zu sehen! Im Zug und ohne Trabbi. Und dann auch noch erster Klasse. Gut siehst du aus! Und die Rotzbremse hast Du auch endlich mal wieder in Form gebracht. Das waren noch Zeiten, als wir zusammen die Welt gerettet haben, was?
Claus: Wie bitte? Trabbi? Wir haben die Welt gerettet?
Klaus: Jetzt tu doch nicht so! Du weißt schon, Schnapphans usw.
Claus: Ich weiß nicht, wovon du redest, ich rette täglich die Welt, da kann ich mich nicht an alles erinnern… Eigentlich kenne ich dich gar nicht.
Klaus: Bist nicht Claus, Claus mit C?
Claus: Doch, der bin ich.
Klaus: Und du bist Trabbifahrer?
Claus: Trabbi, nein. Eigentlich bin ich Lockführer.
Klaus: Und warum sitzt du dann hier hinten in der ersten Klasse und nicht vorne in der Lock?
Claus: Meine Kollegen haben mich auserkoren, mit der Bahn-Führung über unsere Tarifverträge zu verhandeln.
Klaus: Du bist der Weselsky, das Streikmonster?!!! Jetzt weiß ich auch, warum hier niemand sitzen will!
Claus: Also! Monster geht jetzt echt zu weit!
Klaus: Warum wird denn heute nicht gestreikt? Als ich das letzte Mal mit dem Zug gefahren bin, war mal wieder Bahnstreik. Es fuhr am ganzen Tag nur ein Zug nach Thüringen. Dafür war der aber total leer. Da hatte man wenigstens Platz. Heute geht alles wieder seinen geregelten Gang und schon sind die Züge wieder vollgestopft!
Claus: Also dafür kann ich jetzt wirklich nichts. Wir befinden uns gerade in der Schlichtungsrunde. Da wird nicht gestreikt.
Klaus: Ach so. Erzähl mal! Geht’s bald wieder los?
Claus: Nee, darf ich nicht. Ich bin zum Schweigen verpflichtet!
Klaus: Öde!
Claus: Eigentlich wollte ich noch ein bisschen arbeiten.
Klaus: Du solltest trainieren, und nicht arbeiten, wenn du in den Verhandlungen eine gute Figur machen willst.
Claus: Da geht es nicht um gutes Aussehen, sondern geschicktes Verhandeln und Pokern.
Klaus: Ja, weiß ich doch. Genau das solltest du trainieren!
Claus: Und wie?
Klaus: Wie durch ein Wunder hätte ich da zufällig genau die richtigen Trainingsgeräte dabei: Diese Thüringer Kloßkarten hier.
Claus sah sich die Karten an und wunderte sich doch über die kulinarische Vielfalt, die Thüringer Klöße offensichtlich zu bieten haben. Bevor Klaus Claus mit Hilfe des Kartenspiels in seine kognitiven Schranken weisen konnte, kamen aber noch einige Schaffner vorbei, die Claus huldigen wollten. Fast schon sektenartig wirkte es, als einer beinahe auf die Knie fiel, um seinem Idol die Hand zu schütteln. „Das kann nicht sein“ Klaus vermutete eine Verschwörung. Schließlich liest man in der Zeitung ja immer ganz andere Geschichten über den Weselsky. Als er aber noch einmal darüber nachdachte, war das Verhalten ja logisch, schließlich hat es für die Bahn-Bediensteten schon einige Tage Sonderfreizeit in diesem Jahr gegeben…
Claus: Dann erklär mal die Regeln.
Klaus: Also ganz einfach: Du musst Dir merken, welche Karten der andere in der Hand hat und mit Deinen möglichst gut Pokern.
Claus: Mehr nicht?
Klaus: Das muss erst mal reichen. Den Rest bekommst Du im Spiel mit. Außerdem will ich erst mal gewinnen.
Claus: Na dann lass uns mal anfangen.
Klaus: Ja, du solltest mir aber deine Karten nicht so offen zeigen, sonst weiß ich ziemlich genau, was du vorhast.
Claus: Macht Sinn. Kenn ich vom Skat!
Klaus: Den Tipp solltest Du dem Bodo auch noch mal mitgeben!
So spielten sie einige Stunden. Die Fahrt dauerte sehr lange, da der Zug ständig zum Halten kam. Offenbar wollte auch der Lockführer gern Claus persönlich mal die Hand geben. Und bei fahrendem Zug wäre das womöglich zu gefährlich gewesen. Claus wurde immer besser. Klaus gab ihm noch einige Hinweise und zeigte einige nützliche Tricks. Irgendwann schaffte er es sogar gegen Klaus zu gewinnen. Klaus drohte schon mit Sitzstreik, wenn Claus ihn nicht auch mal wieder gewinnen lassen würde. Als sie über die Thüringer Grenze fuhren und die Wartburg in Sicht kam, war Claus so fit, dass er locker jeden Bahnvorstand über den Tisch ziehen konnte. Wenn demnächst also der neue Tarifvertrag mit der GDL verkündet wird, dann können sich die Bahnbediensteten bei Klaus bedanken. Denn ohne sein Coaching hätte Claus kaum Aussicht auf Erfolg gehabt.